August 2020
Der landschaftlich schönste Teil der italienischen Ostküste ist ohne Zweifel die Halbinsel Gargano. Der Sporn des Stiefels erstreckt sich fast 100 km weit in die Adria und wird durch den nördlich vorgelagerten Archipel der Tremiti-Inseln ergänzt. Hier bietet sich ein großes Bojenfeld (kostenlos!) vor der Insel San Domino zum Festmachen an:

Der Blick vom Boot geht auf die Ruine der Klosterfestung auf der gegenüberliegenden Insel San Nicola:

Aber auch das Festland des Gargano hat seinen Reiz, z.B. malerisch gelegene Städte wie Vieste oder das hoch auf den Felsen über dem Wasser gelegene Peschici.

Auf der Ostseite der Halbinsel hat die Adria eine Vielzahl von Höhlen in das Steilufer des Gargano gegraben, die von Ankerbuchten aus mit dem Beiboot besucht werden können:

Allerdings ermöglicht das Segeln entlang der malerischen Küste keinen weiteren Blick ins Hinterland. Und auch da gibt es vieles zu entdecken, sowohl landschaftlich als auch kunsthistorisch.
An der Südflanke des Gargano liegt in 825 Meter Höhe über dem Meer einer der wichtigsten Wallfahrtsorte Italiens, der Monte Sant‘ Angelo. Der Legende nach ist hier in einer Höhle im 5. Jahrhundert der Erzengel Michael erschienen. Byzantiner, Langobarden, Normannen, Staufer, Anjou und andere, die sich jahrhundertelang um Süditalien gestritten haben, haben dort ihre Spuren hinterlassen. Grund genug für den Radsegler, einen Tag lang das Steuer der Yacht gegen den Fahrradlenker zu tauschen und die Herausforderung einer Bergetappe zur Wallfahrtskirche anzunehmen.
Ausgangspunkt ist die Marina in Manfredonia. Der vorgeschlagene Rundkurs von 52 km ist nachfolgend im Überblick dargestellt, einschließlich Höhenprofil:

Für die etwa 800 Höhenmeter zum Ziel gibt es zwei Möglichkeiten: Die hier beschriebene Strecke am östlichen Berghang und die direktere Variante auf der Südseite. Die Straße am Osthang verläuft nicht nur etwas flacher, sondern ist auch kaum befahren und daher zu empfehlen.
Ausgehend von der Marina muss man jedoch zunächst Manfredonia und sein Industriegebiet durchqueren. Die Route führt teilweise direkt am Meer auf einem einsamen Weg, der leider nicht durchgehend geteert ist. Danach geht es durch endlose Olivenhaine, die die Landschaft Apuliens prägen:

Schließlich erreicht man die große Uferstraße des Gargano. Kurz danach beginnt mit einer Abzweigung nach links der Anstieg, zunächst am Hang entlang und dann in mehreren Kehren nach Westen. Schon bald entschädigt der Ausblick für alle Anstrengungen:


Nach einem etwas milderen Zwischenstück wird es noch einmal steil, bevor der Ortsanfang von Monte Sant’Angelo und damit erste Erfrischungsmöglichkeiten erreicht werden. Zum Ziel der Tour, der Wallfahrtskirche im Zentrum, sind es jetzt noch etwa zwei weitere Kilometer entlang des Bergrückens – weiterhin leicht ansteigend.
Schließlich erreicht man die Altstadt mit einer langen Fußgängerzone – in der mittäglichen Hitze des Corona Sommers 2020 ohne Touristen und Wallfahrer weitgehend ausgestorben:

Am Ende der Hauptstraße steht man vor dem Eingang zur Wallfahrtskirche, die auf den ersten Blick eher klein und nicht gerade bedeutend erscheint.

Da der Erzengel aber in einer Höhle erschienen ist, liegt der größte Teil des Baus unter der Erde. Und dort ist ein ganzes Labyrinth zu finden. Etwas Orientierung vermittelt ein Übersichtsplan im Eingangsbereich:

Wie in einem Indiana-Jones-Film geht es zunächst ein verwinkeltes, steiles Gewölbe mit vielen Treppenstufen hinunter (die Nummern (6) – (8) im Bild oben), vorbei an mittelalterlichen Fresken. Unten angekommen hat man die Wahl unter diversen Kapellen und anderen Räumen.

Die eigentliche Höhle (auf dem Plan (23)), in der der Erzengel erschienen ist, findet sich schließlich auch, allerdings mit schwierigen Lichtverhältnissen zum Fotografieren. Insgesamt ist diese auf und in den Fels des Berges gebaute Wallfahrtskirche ein einzigartiger Ort.
Sehenswert ist auch das Kastell von Monte Sant’Angelo. Wie viele Burgen in Apulien beginnt die Baugeschichte mit den Normannen, die ihren Festungsbau aus Frankreich mitgebracht haben und setzt sich mit den Staufern über die Anjou bis zu den Spaniern fort, die in Süditalien ab dem 14. Jhd. geherrscht haben.

Die Rückfahrt ist reine Entspannung, denn man erreicht Manfredonia abwärts rollend fast ohne eine Pedalumdrehung. Beim Sundowner in der Bar der Marina lässt sich dann zum Ausklang eines anstrengenden Tages das „Alpenglühen“ genießen:
