Die Mosaiken von Ravenna

Juni 2018

Wenn man den nördlichen Teil der italienischen Ostküste entlangsegelt, kommt man nicht umhin festzustellen, wie weit der Po die Uferlinie im Laufe der Jahrhunderte ins Meer hinaus verschoben hat. So liegt beispielsweise der Ort Adria, einst eine Hafenstadt und möglicher Namensgeber des gleichnamigen Meeres, heute fast 40 km im Landesinneren.

Auch Ravenna, einst blühende Residenz der spätrömischen Kaiser, war über seinen Hafen in Classe direkt an der Adria gelegen und wichtiger Flottenstützpunkt der Römer bzw. Byzantiner in der Spätantike. Davon kann heute, 1500 Jahre später, keine Rede mehr sein. Die Stadt liegt jetzt über 10 km vom Meer entfernt. Zwar wurde im 18. Jhd. der Canale Candiano angelegt, um das Stadtzentrum mit der Adria zu verbinden, aber dieser Kanal dient nur der Handelsschifffahrt und ist für Segler nicht nutzbar. Stattdessen gibt es in Marina di Ravenna, etwa 12 km nordöstlich der Stadt gelegen, einen riesigen Yachthafen mit über 1000 Booten.

Der Yachthafen von Ravenna

Großzügig angelegt und gut geschützt durch zwei weit in die Adria hinausragende Molen liegen hier jede Menge große Segelyachten italienischer Eigner. Als Gastlieger wird man freundlich aufgenommen. Auf deutsche Segler trifft man jedoch kaum (die drängen sich alle auf der anderen Seite der Adria in Kroatien) und vielleicht auch deshalb tut sich die Hafenverwaltung mit der deutschen Fassung der Hinweise an die Gäste der Marina etwa schwer:

Ravenna ist nicht nur wegen des riesigen Naturschutzgebietes im Delta des Pos (mit Delfinen!) ein lohnendes Ziel eines Törns in der Nordadria sondern auch wegen der vielen Kunstschätze aus der Spätantike, insbesondere der zahlreichen Mosaiken in den Kirchen und anderen Gebäuden aus dieser Zeit.

Nur wie vom Hafen dahinkommen ? Zum Laufen ist es definitiv zu weit und die Busverbindungen müsste man erst mühsam recherchieren. Einmal mehr ist der Radsegler im Vorteil. Denn von Marina di Ravenna führt ein schöner Radweg ins Stadtzentrum und auch nach Classe, wo eine der berühmtesten Kirchen mit dem Mosaik des Heiligen Apollinaris auf die Besucher wartet. Auf dem Rückweg kommt man an langen Stränden vorbei und an Eiscafés mangelt es auch nicht.

Die vorgeschlagene Tour – ca. 50 km fast ohne jeden Höhenmeter – sieht im Überblick so aus:

Von Marina die Ravenna ins Stadtzentrum, nach Classe und zurück am Strand entlang

Die GPX-Daten zum Download sind hier verfügbar.

Man verlässt Marina di Ravenna in südlicher Richtung und passiert zunächst auf einem wunderschönen Radweg einen typisch italienischen Pinienwald.

Danach folgt der Radweg einer Straße, die durch die Vororte hindurch zum Stadtzentrum führt. Dort überquert man den bereits erwähnten Canale Candiano und erreicht wenige Minuten später das erste „Must-see“ in Ravenna, das Grabmal des Gotenkönigs Theoderich.

Von seinen mittelalterlichen Zusätzen befreit liegt dieser einmalige Bau heute in einem Park – wie alle antiken Gräber etwas außerhalb der damaligen Stadt.

Ungeklärt ist immer noch die Frage, wie es den gotischen Recken gelungen ist, den riesigen „Deckel“ des Grabmals, der aus einem einzigen Stück Fels gefertigt ist und geschätzt 230 Tonnen wiegt, oben auf dem Gebäude zu positionieren.

Die Strecke überquert danach die Eisenbahn und folgt auf der Außenseite dem Verlauf der nördlichen Stadtmauer, bevor der Weg nach links ins Innere der Stadt abbiegt. Ravenna ist weitgehend verkehrsberuhigt und daher für den Radler sehr angenehm zu erkunden. Allerdings gibt es so viel zu sehen, dass ein Tag dazu kaum ausreicht. Der hier beschriebene Weg beschränkt sich daher darauf San Vitale, das Grabmal der Galla Placida, Sant‘ Apollinare Nuovo und Sant’Apollinare in Classe anzusteuern.

Über diese Kirchen findet sich online und in diversen Reiseführern alles Wichtige (am besten immer wieder bei Wikipedia). Daher nur ein paar eigene Bilder und Worte zur Motivation, die beschriebene Fahrt in Angriff zu nehmen – auch wenn es in Ravenna im Sommer sehr heiß werden kann.

San Vitale

San Vitale ist ein großer Zentralbau, den die Byzantiner nach der Rückeroberung von Ravenna von den Goten Anfang des 6. Jhd. erbaut haben und der vielen Kirchen in Europa als Vorbild gedient hat, beispielsweise dem Aachener Dom. Im Inneren beindrucken nicht nur die Architektur sondern insbesondere die Mosaiken, die den Sieger des Gotenkrieges, Kaisers Justinian und seine Gattin Theodora (wer Felix Dahn „Ein Kampf um Rom“ gelesen hat, weiß, um wen es geht) jeweils mit ihrem Gefolge zeigen:

Die Mosaiken im Innern von San Vitale

Fast noch beeindruckender sind die Farben der Mosaiken in der benachbarten kleinen Kirche aus der Mitte des 5. Jhd., die als Grabmal der Galla Placida bekannt ist,

aber wohl tatsächlich nicht das Grab dieser spätrömischen Regentin enthält, sondern eine dem Heiligen Laurentius gewidmete kleine Kapelle ist.

Mosaiken im Grabmal der Galla Placida

Der Weg geht dann weiter über mehrere Plätze der Stadt (mit Möglichkeiten zur Einkehr) nach Sant’Apollinare Nuovo, der großen Basilika im Zentrum von Ravenna, ebenfalls aus dem Anfang des 6. Jhd. Auch hier ist man fast erschlagen von der Pracht und den Details der 1500 Jahre alten Mosaiken, unter anderem mit Darstellungen des Kaiserpalastes von Ravenna und des Flottenstützpunkts in der Vorstadt Classe:

Der kaiserliche Palast von Ravenna in einem Mosaik in Sant’Apollinare Nuovo
Darstellung des früheren Hafens Classe von Ravenna auf einem Mosaik in Sant’Apollinare Nuovo

Zeit um das alles auf sich wirken zu lassen, hat man während man einem schönen Radweg nach Süden folgt, der aus der Stadt herausführt. Letztes Ziel ist der bereits erwähnte frühere Hafen von Ravenna mit dem Namen Classe (da dort die Flotte, lat. classis, der Römer bzw. Byzantiner stationiert war). Allerdings ist heute wegen der bereits beschriebenen Verlandung kein Wasser weit und breit mehr zu sehen. Von den antiken Gebäuden ist neben einigen Ausgrabungen nur die Basilika Sant’Apollinare in Classe übrig geblieben. Die aber hat es in sich. Einmal mehr prachtvoll farbige Mosaiken, hier insbesondere die Darstellung des Heiligen in der Kuppel der Apsis der Kirche und die (kleine) Hand Gottes, die ganz oben aus dem Himmel hervorschaut

Mosaik des heiligen Apollinaris in der Kuppel der Apsis

Links neben der Kirche lockt ein Eiscafé zur Pause bevor einige Kilometer Richtung Meer zurückzulegen sind. Am Lido di Dante findet sich dann eine Möglichkeit zur Abkühlung durch ein Bad im Meer, bevor die Fahrt zurück nach Norden Richtung Marina di Ravenna geht. Ein gut zu befahrender Radweg zieht sich durch die weniger schönen Hotelanlagen am Strand. Am Ende trifft man wieder auf den oben gezeigten Abschnitt durch den Pinienwald und erreicht so den Ausgangspunkt der Tour.


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