September 2020
Milazzo, an der Nordküste Siziliens gelegen, hat bei Seglern keinen besonders guten Ruf. „The town holds no charm“ heißt es lapidar in einem Eintrag auf Navionics. Und doch ist man froh, wenn man hier in der Marina del Nettuno einer der stürmischen Gewitterfronten entgeht, die am Ende des Sommers häufiger über Sizilien hinwegziehen.

Die Marina liegt am Nordende des Stadthafens, der durch eine lange Mole gut geschützt ist. Falls es die Größe der Yacht zulässt, sollte man nach einem Liegeplatz auf der Innenseite des gewinkelten Schwimmstegs fragen, da zahlreiche Fähren und Tragflügelboote zu den Liparischen Inseln auf der Außenseite ständig Wellen verursachen. Die freundlichen Marineros sind gut darin geübt, Yachten auf engstem Raum mit einem Schlauchboot zu bugsieren, was bei den engen Platzverhältnissen sehr hilfreich ist, aber die teuren Liegegebühren der Marina nur zum Teil rechtfertigen kann.
Im Westen ist der Hafen durch eine lange Halbinsel perfekt geschützt, die sich von der Nordküste Siziliens aus weit ins tyrrhenische Meer erstreckt. Wer hier nur schlechtes Wetter abwartet, um dann so schnell wie möglich zu den Liparischen Inseln oder in die Meerenge von Messina durchzustarten, verpasst die Vielzahl der Eindrücke der Landschaft auf der nachfolgend beschriebenen Radtour. Der vorgeschlagene Weg führt mit schönen Ausblicken auf einer wenig befahrenen Panoramastraße entlang der Landzunge zur „Piscina di Venere“ , einem von Felsen eingefassten Naturschwimmbecken direkt am Nordende der Halbinsel.

Vom Hafen aus folgt der Weg zunächst der Uferstraße nach Norden mit Blick auf die große Festung, die Milazzo von allen Seiten überragt:

Etwas später zweigt rechts die kleine Panoramastraße ab, die kaum befahren ist und moderat ansteigt:

Die Aussicht richtet sich dabei auf eine Meeresfläche, die mehrfach Schauplatz großer Seeschlachten gewesen ist. So haben die Römer 260 v. Chr. hier ihren ersten Seesieg über die Karthager errungen. Agrippa, der General des späteren Kaisers Augustus, hat während des römischen Bürgerkriegs zweihundert Jahr später die Flotte von Sextus Pompeius hier geschlagen. Heute ist es friedlicher und die einzigen großen Schiffe sind Tanker, mit denen die Raffinerie östlich von Milazzo mit Rohöl versorgt wird.

Nach einigen Kilometern wechselt die Straße auf die Westseite der Halbinsel. Damit öffnet sich der Blick auf eine weite Bucht mit einem ausgedehnten Bojenfeld. Bei sicheren Wetterbedingungen ein schöner Platz zum Festmachen, Baden und Übernachten. Man erkennt bereits die Spitze der Landzunge und ganz rechts oben den Leuchtturm des Capo Milazzo:

Einige hundert Meter vor dem Kap endet die Straße und man kommt selbst als Radler nur zu Fuß weiter. Zunächst folgt man einem kleinen Weg Richtung Leuchtturm, bevor man nach links in einen schönen Olivenhain abbiegt:

Unmittelbar vor dem Abstieg zum Ufer öffnet sich über viele Kakteen hinweg der Blick nach Norden – hier auf einen Segler, der zu den Liparischen Inseln aufgebrochen ist:

Dann geht es etwa 50 Höhenmeter hinab zum Ziel der Tour.

Die Felsen haben ein großes Becken geformt, in dem man gut geschützt im glasklaren Wasser baden kann. Wenn der Wellengang es zulässt, kann man auch auf der Außenseite schwimmen und mit Schnorchel und Brille die vielfältige Unterwasserwelt erkunden. Nur wird man in der Hochsaison mehr Badegäste als nur eine Venus vorfinden.
Vor der Rückfahrt bieten sich dort, wo man die Räder stehen lassen musste, mehrere Bars zur Einkehr an. Der vorgeschlagene Weg folgt danach dem Rücken der Halbinsel nach Süden, zunächst vorbei an der Ruine der großen Festung von Milazzo. Wie überall in Süditalien haben Normannen, Staufer, Spanier über Jahrhunderte hinweg daran herumgebaut bis das Bauwerk schließlich jede militärische Bedeutung verloren hat. Eine Besichtigung ist möglich, fiel bei uns aber wegen drohendem Gewitter aus.

Weiter geht es nunmehr abwärts rollend durch die alte Oberstadt von Milazzo.

Leider ist die Bausubstanz im Ort wenig gepflegt. Milazzo kann sich noch nicht so ganz entscheiden, ob es mit seiner Raffinerie lieber Industriestadt sein möchte oder Touristen mit seiner Landschaft und seiner historischen Bausubstanz anlocken will – wobei das eigentlich keine Gegensätze sein müssten. Manch schönes Kirchenportal rottet vor sich hin und wird allmählich von der Natur erobert.

Wenige hundert Meter weiter ist man zum Ausgangspunkt der Tour, der Marina del Nettuno, zurückgekehrt und hat sich jetzt wahrscheinlich einen hinreichenden Appetit erstrampelt, um in einem der ansprechenden Restaurants direkt am Hafen einzukehren.
Und wenn am nächsten Tag der Törn an der Nordküste Siziliens weitergeht, hat man nochmals Gelegenheit, auf die Stadt,

die grüne Steilküste mit der Panoramastraße

und das Kap mit dem Bad der Venus vom Wasser aus zurückzuschauen:
