August 2017, 2018 und 2019
Von den meisten Seglern wird der kroatische Nationalpark Brijuni als Hindernis betrachtet und eher selten als ein interessantes Ziel im Süden Istriens. In der Tat muss man sich auf einem Schlag von Rovinj nach Pula (oder umgekehrt) entweder für die enge Passage zwischen Veli Brijun und der kleinen Insel Kotez entscheiden oder weit draußen um alle Inseln des Archipels herumsegeln, wenn man die Grenzen des Nationalparks und insbesondere des absoluten Sperrgebiets auf seiner Westseite nicht verletzten möchte.
Auch der bekannte Hafenführer „888“ rät unter Hinweis auf die hohen Liegeplatzgebühren mehr oder minder deutlich von einem Besuch ab. Etwa 200 EUR zahlt man für ein Boot (<18m) in der Saison. Das klingt in der Tat abschreckend. Allerdings ist in diesem Preis der Eintritt in den Nationalpark für bis zu fünf Personen eingeschlossen. Und der beträgt für einen Erwachsenen bereits 30 EUR. Das macht die Sache zwar auch nicht billiger, relativiert aber etwas die Kosten für das Festmachen der Yacht im gut geschützten Hafen von Veli Brijun.

Wer genug Zeit mitbringt – die Liegeplatzgebühr gilt für 24 Stunden – kann selbst im August ein weitgehend verschlafenes Paradies entdecken, mit einsamen Badebuchten und einer faszinierenden Geschichte. Denn dort, wo sich heute die Besucher zu Fuß, per Fahrrad oder mit Golfcarts über die Insel verteilen, hat bereits ein Dinosaurier seine Fußspuren hinterlassen. Bauwerke der Römer und Byzantiner findet man oberhalb und unterhalb der Wasseroberfläche. Zuletzt war die Insel ein beliebter Urlaubsort von Josip Tito, dem früheren Präsidenten Jugoslawiens. All das kann man auf der im Folgenden beschriebenen Radtour besichtigen. Dafür sollte man mindestens einen halben Tag einplanen, nicht wegen einer Strecke von gerade mal 14 Kilometern, sondern um genug Zeit für die Vielzahl der Sehenswürdigkeiten und der landschaftlichen Eindrücke zu haben.

Ausgangs- und Endpunkt der Fahrt ist der Hafen mit dem modernen Hotel Neptun und dem kleinen Bootshaus aus dem Jahre 1902:

Während das Hotel Neptun eher einen etwas verstaubten sozialistischen Charme ausstrahlt, ist das hübsche Bootshaus durchaus einen Besuch wert. Dort findet man Informationen über die wechselvolle Geschichte der Insel. Nachdem es dem österreichischen Industriellen Paul Kupelwieser zusammen mit Robert Koch Ende des 19. Jahrhunderts gelungen war, die Malaria auf der Insel auszurotten, wurde Veli Brijun zum Treffunkt der besseren Gesellschaft Europas. Auch nach dem ersten Weltkrieg kamen wohlhabende Besucher auf die Insel, die inzwischen wie ganz Istrien zu Italien gehörte. Die „Brioni-“ Inseln hatten noch in den 50er Jahren solch einen Ruf, dass ein gerade gegründetes italienisches Textilunternehmen sich danach benannt hat und bis zum heutigen Tag unter diesem Namen manch (politischen) Anzugträger mit seinen Produkten versorgt.
Gegenüber vom Bootshaus kann man Fahrräder (und sogar Kinderanhänger) ausleihen – leider ist auch das nicht gerade günstig. Von dort sind es auf der vorgeschlagenen Tour nur wenige Minuten bis zum ersten Stopp. In einem Kiefernwald, fast noch am Hafen, findet man in einer gläsernen Garage die Staatskarosse von Tito, der damit seine Gäste über die Insel chauffiert hat:

Nach dem zweiten Weltkrieg kamen die Brijuni-Inseln zu Jugoslawien. Als Sommerresidenz des Staatspräsidenten waren sie bis zu seinem Tod für Besucher gesperrt. Hier und an manch anderer Stelle in Kroatien drängt sich der Eindruck auf, dass unter dem Eindruck der furchtbaren Kriege beim Zerfall des Vielvölkerstaates in den 90er Jahren inzwischen eine etwas unkritische Tito-Nostalgie gepflegt wird.
Die Tour folgt danach einer einsamen Straße entlang der Nord-Ostküste der Insel, bevor man auf die Westseite der Insel wechselt. Die Landschaft im Innern der Insel sieht am Ende des Sommers wie eine afrikanische Savanne aus mit trockenen Wiesen und vereinzelten Bäumen. Auch die Tierwelt passt dazu, denn aus Titos Zeiten finden sich beispielsweise noch vereinzelte Zebras, die auf Geschenke von Staatschefs an den Gastgeber zurückgehen.

Ganz andere Tiere haben an der Nordwestecke ihre Spuren hinterlassen. Direkt an der Küste findet man im Fels mehrere Abdrücke der Krallen eines fleischfressenden Sauriers:

Daneben ist der Urheber der Fußspur in drei Dimensionen wiederauferstanden und so lassen sich dramatische Szenen aus „Jurassic Park“ nachstellen:

Die vorgeschlagene Rundfahrt führt weiter Richtung Süden durch die große Bucht auf der Westseite der Insel. An deren Ende findet sich ein ausgegrabenes byzantinisches Castrum aus der Spätantike. Auf einem Areal von etwa einem Hektar haben die Menschen dicht zusammengedrängt gelebt, geschützt durch dicke Mauern vor Überfällen vom Wasser, mit denen damals jederzeit zu rechnen war:

Wirtschaftliche Grundlage war der Olivenanbau und die Weiterverarbeitung zu Öl, die bereits Jahrhunderte davor in römischer Zeit die Basis der Landwirtschaft auf der Insel war.
Wer bis jetzt noch nicht baden war, hat im weiteren Verlauf der Rundfahrt gleich mehrere Möglichkeiten. Landschaftlich besonders schön sind die terrassenartigen Klippen an der Südostseite der Insel mit weitem Blick Richtung Pula:

Eine andere Alternative und vielleicht der Höhepunkt der ganzen Rundfahrt der Insel ist die Verige Bucht auf der Ostseite der Insel. Hier lag während der Pax Romana der römischen Kaiserzeit eine große Villa mit landwirtschaftlicher Produktion, Tempeln und einer Fischzucht. Eine Darstellung am Straßenrand zeigt, wie man sich die gesamte Anlage vorstellen kann:

Heute sind davon nur noch malerische Ruinen zu sehen:

Wer gerne schnorchelt, kann im klaren Wasser der Bucht einen „Unterwasserspaziergang“ unternehmen. Entlang einer Reihe fest verankerter Bojen kann man unter der Wasseroberfläche Überreste mehrerer Fischzuchtbecken und der Mole eines kleinen römischen Hafens besuchen. Da sich der Meeresspiegel seit der Antike um etwa einen Meter gehoben hat, liegen die Fundamente dieser Bauwerke heute unter Wasser. An jeder Boje ist unter Wasser eine Informationstafel angebracht. Alternativ kann man einer Luftaufnahme auf einer Informationstafel am Straßenrand die wesentlichen Strukturen entnehmen.

Zurück geht es an der Ostküste der Insel entlang durch einen Wald mit großen Kiefern und schönen Ausblicken auf den Kanal von Fazana:

Hier passiert man auch ein größeres Strandbad mit einem Café, das sich gut für eine Pause eignet, obwohl der Hafen und damit der Ausgangspunkt der Fahrt schon wenige Minuten später wieder erreicht wird. Widerstehen sollte man jedoch der Versuchung, am Abend im Restaurant des Hotels Neptun – dem einzigen auf der Insel – einzukehren. Zwei Versuche haben gezeigt, dass Selberkochen die bessere Alternative ist. Dann bleiben auch die Gesamtkosten des Aufenthaltes auf Veli Brijun im Rahmen und die Eindrücke dieser wunderbaren Insel ungetrübt.