Die grüne Insel Salina

Juni 2021

Etwa 20 Seemeilen nördlich von Sizilien liegt Salina, die zweitgrößte liparische Insel, nur wenige Segelstunden entfernt von der namensgebenden Hauptinsel. Vom Boot aus prägen zwei große „Vulkanzwillinge“ das Erscheinungsbild. Beide sind fast 1000 Meter hoch (und zusätzliche 1000 Meter über dem Meeresboden). Der ausgedehnte Wald auf der Nordseite von Salina lässt vergessen, dass man sich auf einem Breitengrad bewegt, der weniger als 100 Meilen nördlich von Afrika verläuft.

Den einzigen Hafen der Insel findet man auf der Ostseite. Eine lange Mole begrenzt ein von Süden offenes Hafenbecken, in dem man gut geschützt festmachen kann. Fischerboote oder Dauerlieger gibt es kaum, so dass Platz für etwa 100 Gastlieger ist. Die Preise sind in der Vorsaison moderat (ca. 60 EUR für 40 Fuß), in der Hochsaison aber horrend (200 EUR). Ersatzweise bietet sich unmittelbar südlich des Hafens ein Ankerplatz an.

Die Marina auf Salina und der südlich davon gelegene Ankerplatz. So leer nur in einer wegen Corona spät beginnenden Vorsaison

Die im Folgenden beschriebene kleine Radtour lässt sich gut nach einem Segeltag am späteren Nachmittag unternehmen. 20 Kilometer und etwa 300 Höhenmeter geht es entlang der Ost- und Nordküste mit Ausblicken auf sechs Inselvulkane und den Ätna. Ausgrabungen einer Siedlung aus der Bronzezeit sind ebenso zu entdecken wie gepflegte Weinberge.

Hier die Strecke und das Höhenprofil im Überblick:

Strecke und Höhenprofil der vorgeschlagenen Radtour. Die GPX-Daten stehen hier zum Download bereit.

Von der Marina aus wird man der Einbahnstraßenregelung folgend oberhalb des kleinen Ortes Santa Marina Salina geführt. Schon nach wenigen Metern hat man eine schöne Aussicht über den (in der Vorsaison) etwas verschlafenen Ort hinweg. Hinter der Kirche erkennt man rechts die Insel Panarea und links den Stromboli. Beide sind treue Begleiter auf dieser Tour, denn sie sind durchgehend sichtbar.

Die Straße steigt zunächst sanft an. Wenige Kilometern weiter weist links am Straßenrand ein leicht zu übersehendes Schild auf archäologische Ausgrabungen hin. Anhalten kann man jetzt oder auf der Rückfahrt, nur vorbeirollen sollte man nicht. Denn hier erhält man Einblicke in das harte Leben der Inselbewohner in der Bronzezeit (ca. 1800 – 1250 v. Chr.). Beim Bau der Küstenstraße sind große Keramikgefäße (Pithoi) gefunden worden, die Anlass zu weiteren Grabungen gegeben haben. Zum Vorschein gekommen ist ein ganzes Dorf aus kleinen runden Hüten hoch am Steilhang über der Küste:

Fundamente einer Hütte des Dorfes aus der Bronzezeit am Steilhang

Warum hier, an einer so schwer zugänglichen Stelle, eine Siedlung gelegen hat, kann man nur mit den unsicheren Zeiten erklären. Angriffe von See aus waren wohl eine große Bedrohung – so wie beispielsweise in der Odyssee für diese Zeit beschrieben, wo Odysseus und seine Gefährten von See aus die Kikonen überfallen.

Trocken war es auch schon von 3500 Jahren. Die großen Keramikgefäße dienten dazu, das kostbare Wasser aus dem nahen Bach zu speichern und in den winzigen Hütten aufzubewahren. So wird es jedenfalls auf dem Ausgrabungsgelände erläutert und anschaulich illustriert:

Rekonstruktion eine bronzezeitlichen Hütte auf Salina mit großem Pithos zum Wasserspeichern

Allerdings wird vermutet, dass auch die Bewohner dieser und ähnlicher Siedlungen der Piraterie nachgingen. Am Ende der Bronzezeit (etwa 1250 v.Chr.) wurden alle zerstört – in der griechischen Mythologie fällt das zusammen mit der Ankunft des sagenhaften Königs Liparos auf den nach ihm benannten Inseln.

Die Radtour folgt weiter der Küstenstraße. An der Nordostecke Salinas, dem Capo Faro, ergibt sich ein toller Blick zurück:

Blick vom Capo Faro nach Süden. Links im Bild die Insel Lipari, hinten die Nordküste Siziliens, überragt vom Ätna

Wenige Kilometer später erreicht man die Hochebene von Malfa. Hier wird Malvasier angebaut, ein süßer Weißwein. Die Ähnlichkeit im Namen ist allerdings Zufall, denn der Wein ist nach dem griechischen Ort Monemvasia benannt. Bei der Fahrt durch die Weinreben geht der Blick immer wieder nach Nordosten zum Stromboli, um zu sehen, ob er gerade ausbricht, so wie auf diesem Bild – wenn man ganz genau hinschaut:

Die Weinreben des Malvasier in Malfa. Im Hintergrund der gerade ausbrechende Stromboli

Jetzt kommt der Schlussanstieg der Tour. Die immer einsamere Straße geht auf den letzten Kilometern deutlich bergauf, bis man schließlich die Ruine eines alten Leuchtturms erreicht, der sich genau an der Nordwestecke von Salina befindet.

Verfallener Leuchtturm an der Nordwestecke Salinas

An dieser Stelle sind insgesamt sechs Vulkane (!) zu sehen. Zunächst die beiden Vulkanzwillinge auf Salina. Ferner tief im Westen die beiden Vulkaninseln Filicudi und Alicudi.

Filicudi und dahinter Alicudi westlich von Salina. Im Vordergrund die Steilküste von Pollara.

Und im Nordosten der Stromboli und Panerea hinter der Hochebene von Malfa, die nach dem Schlussanstieg zu Füßen liegt:

Die Hochebene von Malfa mit der Insel Panarea im Hintergrund.
Für den weiter links liegenden Stromboli hat der Aufnahmewinkel nicht ausgereicht.

Wer jetzt noch weiteren Bewegungsdrang hat, kann bis nach Pollara abfahren. Allerdings muss jeder verlorene Höhenmeter auf der Rückfahrt erneut hochgestrampelt werden:

Die Serpentinen der Straße nach Pollara – eine Sackgasse

Bequemer ist es gleich umzukehren und in wenigen Minuten zurück in das Zentrum von Malfa zu rollen. Dort gibt es an einem Dorfplatz mehrere Restaurants, wo beispielsweise Calamari mit Malvasiersoße serviert werden.

Der Dorfplatz von Malfa mit großer Windrose

Der Rückweg folgt der Küstenstraße in umgekehrter Richtung. Allerdings kann man die Tour auch über Valdichiesa nach Rinella an der Südküste Salinas verlängern. Von dort kommt man an einigen Wochentagen mit einem Schiff zurück zum Ausgangspunkt in Santa Marina Salina (vgl. die gestrichelte Linie in der Karte oben). Dafür muss man sich aber vorher über die Abfahrtszeiten im Klaren sein – das hatte ich versäumt.

In jedem Fall klingt der Tag aus mit einer schönen Aussicht auf die Insel Lipari im milden Licht der untergehenden Sonne:

Die Insel Lipari am Abend von Salina aus gesehen

Und wenn am nächsten Tag der Bug der Yacht Richtung Panarea oder zum Stromboli ausgerichtet wird, denkt man beim Blick über’s Heck an die vielen Eindrücke der Landschaft und Geschichte der grünen Insel Salina:

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