August 2021
Auf einem Törn entlang der Nordküste Siziliens sollte man unbedingt Palermo anlaufen. Kunst und Architektur aus fast 3000 Jahren, eine beindruckende Landschaft und nicht zuletzt jede Menge Restaurants sind gute Gründe nach dem Kap Zafferano…..

…..den Bug ein paar Grad nach Backbord zu richten, um in die weite Bucht von Palermo einzulaufen. Im Westen wird das Panorama vom Monte Pellegrino dominiert, der den Hafen überragt.

Im Folgenden wird eine kleine Radtour beschrieben, die den Tagebucheinträgen Goethes folgt, der auf seiner Italienischen Reise Palermo und den Monte Pellegrino ausführlich erkundet hat.
„Endlich gelangten wir mit Not und Anstrengung nachmittags um drei Uhr in den Hafen, wo uns ein höchst erfreulicher Anblick entgegentrat. […] Der Monte Pellegrino, eine große Felsenmasse, breiter als hoch, liegt an dem nordwestlichen Ende des Golfs von Palermo. Seine schöne Form läßt sich mit Worten nicht beschreiben; […] “
An der Wand eines Restaurants in der Nähe des Hafens findet sich ein Bild, das zeigt, wie es damals vielleicht ausgesehen hat:

Während die großen Fähren aus Genua und Livorno heute im modernen Hafenbecken hinter einer langgestreckten Mole festmachen (siehe oben), ist der alte Hafen La Cala den Yachten vorbehalten. Wie so häufig in Italien, werden einzelne Schwimmstege von verschiedenen Anbietern betrieben. Wir haben bei Si.ti.mar festgemacht und für die kompetente und freundliche Hilfe beim Anlegen in der Hochsaison 90 EUR pro Nacht bezahlt (41 Fuß Bootslänge).

Hier liegt man gut geschützt, wenn gerade eine Unwetterfront durch das westliche Mittelmeer fegt und eine Fortsetzung des Törns für mehrere Tage unmöglich oder jedenfalls unbequem macht. Denn dann baut sich vor der Nordküste Siziliens eine erhebliche Welle auf, die man besser vermeidet.
Unmittelbar vor der Altstadt gelegen, sind viele Sehenswürdigkeiten Palermos in wenigen Minuten mit dem Rad oder sogar zu Fuß zu erreichen. Und dazu kann man das Wort wieder an Goethe übergeben:
„Durch die wunderbare, aus zwei ungeheuern Pfeilern bestehende Pforte, die oben nicht geschlossen sein darf, damit der turmhohe Wagen der heiligen Rosalia an dem berühmten Feste durchfahren könne, führte man uns in die Stadt“

Die erwähnte Rosalia ist die Schutzheilige der Stadt. Ihre Gebeine wurden im 17. Jahrhundert in einer Höhle auf dem Monte Pellegrino gefunden und nach Palermo gebracht. Dadurch soll die Stadt von einer Pestepidemie erlöst worden sein. Diese Höhle ist das Ziel der im Folgenden beschriebenen Radtour. Zuvor jedoch noch ein paar Eindrücke aus der Altstadt Palermos, eingeleitet von den auch heute noch zutreffenden Worten Goethes:
„Unser erstes war, die Stadt näher zu betrachten, die sehr leicht zu überschauen und schwer zu kennen ist, leicht, weil eine meilenlange Straße vom untern zum obern Tor, vom Meere bis gegen das Gebirg‘ sie durchschneidet und diese ungefähr in der Mitte von einer andern abermals durchschnitten wird: was auf diesen Linien liegt, ist bequem zu finden; das Innere der Stadt hingegen verwirrt den Fremden, und er entwirrt sich nur mit Hülfe eines Führers in diesem Labyrinthe.“
Die „meilenlange Straße“ ist heute die Via Vittorio Emmanuele, die in der Mitte der Stadt, an den „Quattro Canti“, von der Via Maqueda gekreuzt wird:

Die beiden Straßen führen direkt zu den großen Bauwerken der Stadt, z.B. dem Dom

oder dem Teatro Massimo, das erst vor einigen Jahren wiedereröffnet worden ist:

Jenseits der beiden gepflegten Hauptstraßen ist leider immer noch vieles dem Verfall preisgegeben und wartet auf Geld für die Rettung der alten Bausubstanz (und der Beseitigung des überall herumliegenden Mülls).
Die kurze Radtour auf den Monte Pellegrino – hin und zurück insgesamt 26km – beginnt am alten Hafen. Hier die Strecke im Überblick:

Den historischen Wallfahrtsweg zur Höhle der Heiligen Rosalie beschreibt Goethe wie folgt:
„Die Andächtigen wallfahrteten fleißig auf den Berg, und man erbaute mit großen Kosten einen Weg, der wie eine Wasserleitung auf Pfeilern und Bogen ruht und in einem Zickzack zwischen zwei Klippen hinaufsteigt.“
Dieser Weg existiert heute noch:

auch auf dem Gemälde oben.
Zum Glück gibt es heute eine kleine Straße, die mit einer angenehmen Steigung über elf Kehren hinweg die knapp 500 Höhenmeter überwindet. Leider muss man davor einige Kilometer einer großen Ausfallstraße Richtung Norden folgen, die nur abschnittsweise eine sehr schmalen Radweg aufweist. Danach aber geht es direkt an den Fuß des Berges:

Sanft ansteigend folgt man zunächst der Küstenlinie nach Norden. Am Nachmittag spendet der Berg Schatten, was in der Augusthitze ausgesprochen angenehm ist:

Eine erste Kehre und einige Höhenmeter weiter geht der Blick über die weite Bucht von Palermo bis zum Kap Zafferano:

Danach radelt man wie auf einer Passstraße zehn Kehren hinauf, wobei die Steigung selten mehr als 5% beträgt. Unten erstreckt sich das endlose Häusermeer von Palermo.

Zu Goethes Zeiten sah das ganz anders aus. Um die Altstadt herum erstreckte sich die berühmte „Conca d’Oro“, die goldene Ebene der Zitrusplantagen, die im Mittelalter zuerst die Araber und später die Normannen angelegt haben. Davon ist heute fast nichts mehr übrig.
Allerdings hat es seit dem 18. Jahrhundert auch Aufforstungen gegeben. So ist die Westseite des Monte Pellegrino, die man nach den Kehren erreicht, nicht mehr „ganz nackt, kein Baum, kein Strauch“ , sondern dicht bewaldet:

Einige Kilometer weiter, jetzt fast ohne Steigung, erreicht man das Ziel. Da sich hier seit Goethes Besuch kaum etwas verändert hat, kann der Dichter wieder die Beschreibung übernehmen:
„Wenn man den Berg erstiegen hat, wendet man sich um eine Felsenecke, wo man einer steilen Felswand nah gegenüber steht, an welcher die Kirche und das Kloster gleichsam festgebaut sind.„

„Man eröffnet die Türe ohne Erwartung, wird aber auf das wunderbarste überrascht, indem man hineintritt. Man befindet sich unter einer Halle, welche in der Breite der Kirche hinläuft und gegen das Schiff zu offen ist. […] Tief hinten in dem Dunkel der Höhle steht der Hauptaltar in der Mitte.„

„Man hat […] an der Höhle nichts verändert; allein da die Felsen immer von Wasser träufeln, war es nötig, den Ort trocken zu halten. Man hat dieses durch bleierne Rinnen bewirkt, welche man an den Kanten der Felsen hergeführt und verschiedentlich miteinander verbunden hat. Da sie oben breit sind und unten spitz zulaufen, auch mit einer schmutzig grünen Farbe angestrichen sind, so sieht es fast aus, als wenn die Höhle inwendig mit großen Kaktusarten bewachsen wäre. Das Wasser wird teils seitwärts, teils hinten in einen klaren Behälter geleitet, woraus es die Gläubigen schöpfen und gegen allerlei Übel gebrauchen.“

„Ich sah durch die Öffnungen eines großen, aus Messing getriebenen Laubwerks Lampen unter dem Altar hervorschimmern, kniete ganz nahe davor hin und blickte durch die Öffnungen.“

(wegen der vielen Wallfahrer nur mit Abstand zu fotografieren)
„Ein schönes Frauenzimmer erblickt‘ ich bei dem Schein einiger stillen Lampen. Sie lag wie in einer Art von Entzückung, die Augen halb geschlossen, den Kopf nachlässig auf die rechte Hand gelegt, die mit vielen Ringen geschmückt war. Ich konnte das Bild nicht genug betrachten; es schien mir ganz besondere Reize zu haben. Ihr Gewand ist aus einem vergoldeten Blech getrieben, welches einen reich von Gold gewirkten Stoff gar gut nachahmt.“
Allerdings stellt heute ein kleines Schild auf der Rückseite des Altars klar, dass die Heilige zum weitaus größten Teil nicht hier, sondern im Dom von Palermo begraben ist. In der Höhle befindet sich nur noch ein Zahn und ein Stück Knochen.
Wer nach soviel Reliquienverehrung genug hat, steigt wieder aufs Rad und folgt weiter der Straße nach Norden. Nach wenigen hundert Metern biegt man rechts ab zu einem Aussichtspunkt hoch über dem Meer. Die Rundumsicht von dort ist mehr als beeindruckend. Hier der Blick nach Osten über die Bucht von Palermo.

Im Westen versinkt die Sonne hinter dem Kap Gallo:

Dazu passt das Schlusswort von Goethes Tagebucheintrag:
„….ich konnte mich nur mit Schwierigkeit von diesem Orte losreißen und kam erst in später Nacht wieder in Palermo an.
Palermo, Sonnabend, den 7. April 1787.“