August 2021
Segelt man von Palermo aus entlang der Nordküste Siziliens nach Westen, muss man zunächst das felsige Kap Gallo umrunden.

Wenige Meilen später erreicht man den Golf von Castellamare. Schutz vor den unangenehmen Wellen des vorherrschenden Nordwestwinds bietet er kaum. Da freuen sich Skipper und Crew, wenn nach stundenlanger Schaukelei am südwestlichen Ende der weiten Bucht gut geschützte Anker- und Liegeplätze auftauchen:

Castellamare del Golfo ist nicht nur ein hübscher Ort mit vielen (Fisch-) Restaurants gleich am Hafen, sondern auch ein guter Ausgangspunkt für einen Besuch von Segesta, eines der bekanntesten Reiseziele Siziliens. Ein wunderschön gelegener Tempel und ein Theater mit eindrucksvoller Aussicht lassen sich von Castellamare aus gut erreichen. Mit dem Rad sind es hin und zurück etwa 40 Kilometer und 500 Höhenmeter. In sommerlicher Hitze ist das eine Herausforderung, für die man jedoch mit Eindrücken der sizilianischen Landschaft und antiker Architektur belohnt wird.
Hier die vorgeschlagene Streckenführung im Überblick:


Vom Hafen aus geht es zunächst steil bergauf, bis man ein leicht geneigtes Plateau erreicht, auf dem sich die rechtwinkligen Straßenzüge des modernen Teils von Castellamare befinden. Dabei reicht der Blick zurück über das gesamte Hafenbecken :

Am Ende des Ortes biegt die vorgeschlagene Route auf eine kleine Nebenstraße ein. Kurze Zeit später radelt man in einer hügeligen Landschaft durch Weinberge und Olivenbäume, die viel sanfter ist, als es die schroffe Nordküste vom Wasser aus vermuten lässt.

Ende August ist vieles verbrannt, von der Sonne, aber auch von den Bauern, die sich damit das Unterpflügen abgeernteter Felder ersparen. Diese Feuer geraten manchmal außer Kontrolle und dann brennen benachbarte Büsche und Bäume mit ab.

Nachdem man einen kleinen Fluß überquert hat, steigt die Straße erneut an, jetzt bereits mit Blick auf das Ziel in der Ferne.

Unterwegs kreuzt man eine aufwendig angelegte Bahnlinie mit vielen Tunneln und Brücken. Erbaut wurde sie 1937 zur Erschließung des Hafens von Trapani an der Westspitze Siziliens. Seit einem Erdrutsch in 2013 ist der Zugverkehr eingestellt. Laut Wikipedia könnte es aber 2024 wieder losgehen.

Anders als die Backsteinbauten der Eisenbahn ist die moderne Autobahn, die auf unzähligen Betonstützen Richtung Trapani verläuft (siehe dazu das vorletzte Bild unten) ein Störfaktor des Landschaftsbildes. Richtig schlimm sieht es darunter aus: Ungeheure Mengen an Müll werden einfach neben den Stützen abgeladen. Aber nicht nur dort. Bei fast allen hier gezeigten Aufnahmen ist es nur mit Schwierigkeiten gelungen, den überall am Straßenrand herumliegenden Abfall nicht mit aufs Bild zu bekommen.
Schließlich trifft man auf die Bahnstation „Segesta Tempio“. Zwar hält hier gegenwärtig kein Zug. Aber ein Bahnhofsrestaurant gibt es trotzdem, wo man sich von der Anstrengung und Hitze gut erholen kann.
Danach sind es nur noch wenige Minuten bis zu den Ruinen von Segesta. Die antike Stadt war eine Gründung der einheimischen Elymer. Ihre Geschichte ist geprägt von ständigen Auseinandersetzungen mit Griechen und Karthagern, die den Osten bzw. den Westen Siziliens kolonisiert hatten. Später kamen die Römer und im neunten Jahrhundert die Araber, bis die Stadt im Mittelalter verlassen worden ist.
Von der antiken Bebauung sind bis auf den berühmten Tempel und das Theater nur ein paar Grundmauern erhalten. Vom Parkplatz aus, wo auch die Räder abgestellt werden müssen, gelangt man in wenigen Schritten auf einen flachen Hügel weit außerhalb des antiken Stadtgebiets.

Dort steht der Tempel. Eindrucksvoll, aber merkwürdig roh, erscheint das große Steingerippe aus der Nähe. Die Säulen weisen nicht einmal die üblichen Kanneluren (Rillen) auf, was damit erklärt wird, dass der Tempel nie fertig gestellt worden ist, vielleicht weil Segesta gerade wieder einmal im Krieg mit seiner griechischen Nachbarstadt Selinunt lag.


Je mehr Abstand man jedoch gewinnt, desto harmonischer erscheint das Bauwerk inmitten der sizilianischen Landschaft.
Richtig sehen kann man das nur, wenn man zu Fuß (und nicht wie die meisten Besucher mit dem Shuttlebus) auf die gegenüberliegende Akropolis der antiken Stadt wandert. Etwa einen Kilometer windet sich der Weg durch die noch nicht ausgegrabenen Bereiche Segestas. Goethe war auf seiner italienischen Reise 1787 auch dort, aber offensichtlich wenig begeistert, wenn er schreibt:
„Die Mühseligkeit in den unscheinbaren Trümmern eines Theaters herumzusteigen nahm uns die Lust die Trümmer der Stadt zu besuchen“.
Das ist heute anders. Das große Theater aus griechisch-römischer Zeit ist bis auf den Bühnenaufbau vollständig ausgegraben und restauriert. Im Sommer wird es für Aufführungen genutzt. Von den obersten Rängen hat man einen Ausblick, der bis zum Startpunkt der Tour, dem Golf von Castellamare, reicht.

Im Süden sieht man Weinberge und grün bewaldete Hügel.

Für die Rückfahrt nach Castellamare gibt es mehrere Möglichkeiten: Wer noch Kraft im Bein hat, kann über Calatafimi zurückradeln und dabei an Giuseppe Garibaldi denken, der dort 1860 seine erste große Schlacht gegen die Truppen der Bourbonen gewonnen hat. Das war der Startschuss für die italienische Einigung („Risorgimento“).
Weniger anstrengend ist es, den Hinweg einfach zurückzurollen. Bis auf einen kurzen Gegenanstieg geht es nur bergab, so dass nach einer guten Stunde wieder der Hafen von Castellamare erreicht ist. Die Restaurants am Hafen entschädigen danach für alle Anstrengungen des langen Tages.