September 2021
Die Westspitze Siziliens ist ein anspruchsvolles Revier, das von italienischen Skippern respektvoll als „Segeluniversität“ bezeichnet wird. Verfolgt man die lokalen Windverhältnisse mit „Windy“, erkennt man warum: Ausläufer des nordwestlichen Mistrals treffen hier ebenso ungebremst auf die sizilianische Küste wie der Scirocco aus dem Süden.
Da überrascht es nicht, dass selbst in der Hochsaison nur vergleichsweise wenige Yachten unterwegs sind, obwohl die der Küste vorgelagerten Ägadischen Inseln durchaus ihren Reiz haben. So findet man auf Levanzo Höhlenmalereien aus der letzten Eiszeit, als der Meeresspiegel noch etwa 100m tiefer lag und eine Landverbindung nach Sizilien bestand.

Die benachbarte Insel Favignana lockt mit vielen kleinen Badebuchten. Marettimo liegt wie ein großer Wellenbrecher etwa 10 Meilen weiter draußen und beeindruckt mit grünen, dichtbewaldeten Hängen:

Ein geeigneter Ausgangspunkt für die Ägadischen Inseln ist die Marina Vento di Maestrale, die am äußersten Ende der Halbinsel von Trapani liegt, wie man auf dem Deckblatt des italienischen Hafenführes „Pagine Azzure“ unmittelbar erkennen kann:

Wenn jedoch der Mistral oder der Scirocco zu heftig blasen, bleibt man besser im Hafen. Dann bietet sich eine Radtour auf den Eryx an, der mit seinen fast 800 Metern Höhe die gesamte Landschaft dominiert. Im Folgenden wird eine Fahrt um und auf diesen Berg beschrieben, die weite Ausblicke auf die Inseln und das gesamte westliche Sizilien bietet.
Die einfachste Möglichkeit, den Gipfel zu erreichen, ist die Benutzung der Seilbahn, deren Talstation am östlichen Ende von Trapani liegt und die auch Räder mitnimmt. Für die sportlichere Variante, den Berg selbst zu erobern, gibt es mehrere Möglichkeiten. Im Folgenden wird eine Streckenführung beschrieben, die sich gegen den Uhrzeigersinn um den Berg herumwindet und damit nach allen Seiten Aussichten ermöglicht.


Zunächst muss das Stadtzentrum von Trapani durchfahren werden, bevor die vorgeschlagene Route der Landstraße entlang des Südhangs des Berges folgt. Ganz oben kann man bereits die mittelalterliche Befestigung des Berggipfels erkennen:

Dort oben sind (angeblich) viele gewesen. In mythischer Vorzeit nicht nur der namensgebende Halbgott Eryx (Sohn von Aphrodite), sondern auch Aeneas auf der Suche nach einer neuen Heimat. Historisch belegt sind die Elymer, die auch das benachbarte Segesta gegründet haben. Danach kamen Karthager und Römer. Zwischen ihnen fand der erste punische Krieg ganz in der Nähe sein Ende, als die Karthager 241 v. Chr. von Marettimo aus mit ihrer letzten Flotte vergeblich versucht haben, den Belagerungsring der Römer um Trapani und Erice zu durchbrechen. Fast 1500 Jahre später haben die Normannen den Berg neu besiedelt und damit die mittelalterliche Stadt geschaffen, die heute das Ziel vieler Besucher ist.
Nach wenigen Kilometern biegt man nach links auf eine kleine Nebenstraße ab. Nun wird die Ostseite des Berges umrundet, teilweise mit kurzen steilen Anstiegen. Dort wo die Straße in einen Feldweg übergeht, öffnet sich zum ersten Mal einen Blick auf die Nordküste.

Das Ziel ist allerdings auch jetzt noch weit entfernt:

Der Feldweg mündet nach wenigen Metern auf eine kleine Straße. Hier beginnt der schönste Teil der Auffahrt. Mit insgesamt acht Kehren werden ohne große Anstrengung weitere 300 Höhenmeter überwunden. Der Ausblick wird dabei immer besser:

Danach trifft man auf eine umgekehrte Baumgrenze. Offensichtlich lassen die Niederschläge am Gipfel mehr Vegetation zu als im vertrockneten unteren Bereich des Berges.
Durch einen dichten Kiefernwald erreicht man schließlich das westliche Stadttor. Je nachdem, wie viele Besucher unterwegs sind, empfiehlt es sich, die Räder hier abzustellen und den Ort zu Fuß zu besichtigen. Dazu gibt es viele Möglichkeiten. Wir waren zuerst am Kastell, das man bereits von unten erkennen konnte:

Bei Scirocco fühlt man sich hier wie vor einem gigantischen Föhn. Die Temperaturen sind trotz der 800 Höhenmeter nicht niedriger, sondern spürbar höher als am Hafen von Trapani, wo das Meer den heißen Saharawind etwas abkühlt.
Innen erscheint der Ort ziemlich verlassen, jedenfalls dann, wenn wegen der Pandemie die Anzahl der Touristen überschaubar bleibt. Eine der Sehenswürdigkeiten ist die Hauptkirche des Ortes mit dem freistehenden Glockenturm. In seinen Grundmauern geht er auf einen Wachturm der Karthager aus dem 3. Jhd. v. Chr. zurück.

Für die Abfahrt zurück nach Trapani gibt es wiederum mehrere Möglichkeiten: Eine kleine steile Straße auf der Südseite, eine Downhillstrecke für Mountainbiker direkt unterhalb der Seilbahn und die vergleichsweise sanft abfallende Hauptstraße, die in weiten Kehren über die Westseite des Berges verläuft. Auf der zehn Kilometer langen Gefällstrecke hat man immer wieder einen beeindruckenden Blick auf Trapani und die Ägadischen Inseln:

Man erkennt die langgestreckte Halbinsel mit dem Hafen. Links daneben Salinen, die sich im Süden bis nach Marsala erstrecken. Im Hintergrund Favignana und Levanzo sowie ganz hinten im Dunst Marettimo.
Zurück in Trapani kann man sich von den Anstrengungen des Tages in einem der vielen Restaurants auf dem Corso Vittorio Emmanuele erholen. Und wenn am nächsten Morgen die Leinen gelöst werden und der Blick vom Waser zurück auf den Eryx geht, ist der Kopf voller Erinnerungen an den vergangenen Tag.
